Und, mein Gott, hat de Maizières Generation eine Spur der Verwüstung hinterlassen! Nicht wirtschaftlich, aber was das Verständnis von Zukunft und Leben angeht. Dafür muss man noch nicht einmal die Offensichtlichkeit des Klimadebakels erwähnen, das die Generation de Maizière seit Jahrzehnten halbherzig bis ignorierend beobachtet, als sei sie unbeteiligt.

Ganz vorne bei den Schäden ist die Deformation des Verhältnisses zur Arbeit. De Maizières Generation hat keinen Zweifel daran gelassen, dass die 40-Stunden-Woche heilig ist. Etwa indem ihre Mitglieder bis heute dafür sorgen, dass Menschen mit Halbtagsjobs ihre Aufstiegschancen im Klosett herunterspülen können. Seine Generation hat für eine Arbeitswelt gesorgt, in der Burn-out zur Volkskrankheit geworden ist. Seine Generation hat dafür gesorgt, dass Vereinbarkeit von Familie und Beruf pendelt zwischen Hohn, toxischem Patriarchat und der Frage, ob und wie viele Großeltern mithelfen können. Seine Alterskohorte hat durch langjährige Verächtlichkeit und Abwehr der digitalen Welt gegenüber dafür gesorgt, dass es eine Pandemie mit 100.000 Toten brauchte, bis man in Deutschland die Segnungen des Homeoffices zu schätzen wusste.

Vor allem aber hat de Maizières Generation klassische Lohnarbeit als praktisch einzige gesellschaftlich anerkannte Selbstverwirklichungsoption inszeniert. Sogar Tätigkeiten, auf die man irgendwie Bock hat oder die man sinnvoll findet, werden mit dem Begriff »Ehrenamt« zur Arbeit umoperiert, während überhaupt erst die Millennials auf die Idee kamen, flächendeckend die extrem relevante Care-Arbeit überhaupt als Arbeit zu identifizieren und entsprechend zu benennen.

Dementsprechend hat die Generation de Maizière eine superproblematische Definition von Karriere gleich mitgeliefert: Festanstellung, Vollzeit, 45 Jahre Arbeit bis zur Rente, Eckbüro, Dienstkombi (silber wg. Wiederverkaufswert), Vizeabteilungsleitung, jeden zweiten Dienstag im März die Tochter mit ins Büro bringen, damit die Kinder mal sehen, wie und wo die Eltern das Bruttoinlandsprodukt zusammenklöppeln und vor Ehrfurcht erstarren.

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De Maizières Generation ist deshalb oft so giftig gegenüber den »jungen Leuten«, weil sie ahnt, dass die richtig liegen könnten. Und die Älteren deshalb Jahrzehnte ihrer kostbaren Lebenszeit verloren haben mit bekloppten Excelschlachten und der Umrechnung von Kalenderwochen in menschenwürdige Zeitbeschreibungen.

Es ist ein bekanntes psychologisches Phänomen, dass die Überbringenden einer Botschaft besonders dann angefeindet werden, wenn sie die eigenen, unwiederbringlichen Versäumnisse deutlich machen. Die Generation Z mit ihrer gesunden Abkehr von der als »Karriere« getarnten Aufgabe des Privatlebens trifft den wunden Punkt von de Maizières Generation Tastenton: nämlich die Möglichkeit, dass eventuell am Ende die goldene Uhr von der Firma samt des jahrzehntelangen Weges dorthin doch weniger glücklich gemacht hat, als viel Zeit mit der Familie oder mit Freunden, gezieltes Rumliegen, wenn man das braucht, sowie viel Erleben und Reisen – selbst wenn man es währenddessen auf Instagram veröffentlicht.

  • UESPA_Sputnik@lemmy.world
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    1 year ago

    Der Kommentar ist mir in Teilen etwas zu unsachlich. Man muss sich ja nicht gleich auf Herrn de Maizieres Niveau herunter begeben.

    Was mir aber gefallen hat, war dieser Absatz:

    Produktivität kann eine gute und fortschrittsorientierte Sache sein, aber darum ging es der Generation de Maizière nie, sonst hätte sie sich nicht mit Händen und Füßen, Angsterzählungen und Gesetzen gegen die Digitalisierung gewehrt. Oder das Bildungssystem etwa auf dem Stand von 1967 stehen lassen.

    Sehr gut auf den Punkt gebracht.